Erst waren wir nicht sicher, ob sie uns überhaupt will. Wir spürten eine gewisse Distanziertheit beim Anprobieren im Laden. Schuhe wie uns hatte sie zuvor nie besessen. Wir mochten ihre Füße sofort, aber umgekehrt… nun, manche Dinge brauchen eben etwas Zeit.
Nach ein paar Waldspaziergängen zum Einlaufen kam unser erster echter Einsatz: Korsika. Dort wurde uns klar, dass sie zuvor nie wirklich gewandert war. Dementsprechend war es zuweilen etwas schwierig: Ihr war schnell zu heiß, wenn es keinen Schatten gab. Wurde es zu steil, war sie ängstlich. Holprige, steinige Wege fand sie zu anstrengend. An uns lag es nicht, wir leisteten sehr gute Arbeit. Wir gaben ihr Halt, drückten nicht und hielten dicht. Trotzdem schien es, dass sie uns die Schuld gab, wenn eine Wanderung nicht nach ihrem Geschmack war. Viel lieber als uns trug sie ihre luftigen Sandalen.
Nach dem Urlaub verbrachten wir unsere Tage im Schuhschrank. Im nächsten Jahr wurden wir wieder in den Koffer gepackt: Südfrankreich. Dort lief es schon besser. Die meisten Wanderwege gefielen ihr und so begann sie langsam, auch uns zu mögen. Wir merkten es daran, wie sie uns ansah. Ihre Füße glitten jetzt bereitwilliger in uns hinein. Wenn sie uns zuschnürte, lächelte sie öfter. Und wenn sie uns nach einer Tour auszog, war ihr Blick stolz und zufrieden.
Inzwischen sind wir fast sieben Jahre bei ihr und haben einiges gesehen: die Côte d’Azur, la Gomera, Guernsey, Madeira, die Ostsee. Wir wissen, dass sie uns sehr schätzt. Sie freut sich, dass wir noch in gutem Zustand sind und sie noch eine Weile begleiten können.
Gut, ab und zu hadert sie unterwegs immer noch. Die mutigste Wanderin wird sie nie werden, auch nicht die ausdauerndste oder geschickteste. Aber das macht nichts. Wir helfen ihr so gut es geht und sie dankt uns dafür. Was könnte sich ein Paar Wanderschuhe mehr wünschen?
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P.S. Vor einigen Wochen waren wir mit ihr im Elsass. Dort geschah Außergewöhnliches! Wir wanderten deutlich weiter als sonst, wir wanderten im Regen (wirklichen Regen, nicht nur Nieseln), wir wanderten über matschige Waldwege. Uns hat das gefallen – und ihr anscheinend auch. Zumindest die meiste Zeit.