Tagesarchiv: 27. Dezember 2016

Das Geschenk – Ein Weihnachtsdialog

Helmut schenkt seinem besten Freund Klaus zu Weihnachten ein Paar Schlittschuhe. Gespannt beobachtet Helmut, wie Klaus sein Geschenk öffnet. Für die Leser des folgenden Dialogs ist es wichtig zu wissen, dass sowohl Helmut als auch Klaus im Rollstuhl sitzen.

Helmut: Na, was sagst du?

Klaus: Was ich sage?

H: Ja, was sagst du zu meinem Geschenk?

K: Spinnst du!?! – Das sag ich.

H: Was? Wieso?

K: Wieso? Du schenkst mir Schlittschuhe zu Weihnachten!

H: Na, bis zu deinem Geburtstag wollte ich nicht warten…

K: Bist du jetzt auch noch blind? Ich sitze im Rollstuhl, genau wie du! Was soll ich mit Schlittschuhen?

H: Klaus, du verstehst nicht…

K: Oh, doch, ich verstehe sehr gut. Das ist einer deiner dämlichen Scherze, du Idiot!

H: Nein, nein, Klaus, so ist das nicht…

K: Ach, nein? Wie ist es denn dann?

H: Schau doch mal genauer hin!

K: Ganz schön abgenutzt sind die Dinger. Klar, für einen Lahmen tut’s auch Second Hand!

H: Klaus, schau genau hin.

K: Da hat auch noch jemand was drauf geschmiert…

H: Ja, genau.

K: Da steht was geschrieben…

H: Ja, genau! Lies, was da steht!

K: Da steht: N… Na… Nadel… Sch… Schwamm. Nadelschwamm. Und darunter: I.. Ig… Igor. Noch was. Eine Zahl… 1982. Nadelschwamm Igor 1982. Na und?

H: Ach, Klaus, ich glaube, du bist der Blinde! Da steht: Norbert Schramm, Lyon, 1982.

K: Und?

H: Du kapierst auch gar nichts! In den Schuhen hat Norbert Schramm 1982 in Lyon die Europameisterschaft im Eiskunstlauf gewonnen! Und dann hat er die Schuhe signiert.

K: Echt? Das wäre ja ein Ding!

H: Das ist ein Ding! Die sind echt!

K: Und wie kommst du da ran?

H: Ha! Pass auf! Mein Schwager macht doch diese Wohnungsauflösungen. Letzte Woche war er bei einer alten Dame. Demenz. Keine Familie. Muss ins Heim. Auf deren Dachboden lagen die Schuhe, sorgfältig verpackt in einem festen Karton. Mein Schwager hat die Unterschrift nicht gesehen. Er wollte die Schuhe seinem Sohn geben, aber dem sind sie zu klein. Ich hab die Signatur sofort erkannt und hab die Schuhe meinem Schwager abgeschwatzt. Der Gute hat sich zwar gewundert, aber nicht weiter nachgefragt.

K: Und du bist sicher, die sind echt?

H: Todsicher. Ich hab recherchiert. Die alte Dame war damals die Haushälterin von dem Schramm. Er wird ihr die Schuhe wohl geschenkt haben. Klaus, wenn wir die Schuhe bei E-Bay verticken, sind wir gemachte Leute!

K: Meinst du, das Geld reicht für…

H: Na, zumindest für die Miete im ersten Jahr!

K: Dann können wir endlich das Yoga-Studio auf Gomera eröffnen!

H: Genauso ist es, Klaus. Na, was sagst du jetzt zu meinem Geschenk?

K: Mensch, Helmut! – Ich hol den Sekt!