Ein Blick zurück… Schwimmen auf Noten

Zur Abwechslung hier eine Anekdote aus meiner Schulzeit. Achtung: Diese Geschichte ist wahr! 🙂

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Mit zittrigen Knien, einem Knoten im Magen und bibbernd vor Kälte stand ich auf dem Startblock des Schwimmbeckens meiner Schule. Nichts fürchtete ich so sehr wie den Startpfiff – und gleichzeitig sehnte ich ihn herbei. Wenn doch nur schon alles vorbei wäre…

Schwimmen im Sportunterricht hasste ich noch mehr als Leichtathletik oder Ballsportarten und so drückte ich mich so gut es nur ging: Erkältung, Menstruation, Badezeug vergessen… In der elften Klasse standen jedoch 100 Meter auf Zeit verpflichtend auf dem Lehrplan. Wer nicht schwamm, bekam die Sechs. Was für ein Dilemma! Entweder sich drücken und die schlechte Note kassieren oder antreten und sich über vier 25-Meter-Bahnen quälen. Ich war mir noch nicht einmal sicher, ob meine Kondition mich über die Distanz bringen würde.

Beim regulären und dem ersten Nachtermin redete ich mich heraus. Dann die letzte Chance: Ein weiterer Nachtermin, nachmittags, außerhalb der Unterrichtszeit. Lange haderte ich mit mir. Blieb ich fern, würde ich mich wegen meiner Feigheit schämen. Trat ich an, hätte ich die Blamage einer lachhaften Leistung zu fürchten, von der Gefahr des Ertrinkens einmal ganz abgesehen. Ich entschied mich am Ende für den ehrenvollen Weg: Angstvoll angespannt erschien ich in der Schwimmhalle. Wenigstens war ich nicht allein; eine meiner Mitschülerinnen hatte ebenfalls noch die 100 Meter zu absolvieren. Andrea litt ähnliche Qualen wie ich.

Zunächst sollten wir uns über einige Bahnen einschwimmen. Bloß nicht dabei schon alle Kraft verbrauchen! Ich haushaltete, so gut es ging. Andrea machte es genauso. Ich war sehr froh darüber, dass sie da war. Während des Einschwimmens einigten wir uns, dass wir die 100 Meter sehr langsam angehen würden. Das Ziel sei es, überhaupt die Strecke zu bewältigen. Die Zeit sei nebensächlich.

Dann war es soweit: Aufstellung auf dem Startblock, Kommando und Pfiff des Lehrers, und schon plumpste ich ins Becken. Andrea und ich fanden ganz natürlich ein gemeinsames Tempo, das wir gerade so durchhalten konnten. Alle Kraft floss in die ungelenken Schwimmbewegungen. Ich hangelte mich von einem Zug zum nächsten. Noch einer, weiter, nicht aufhören, noch einer, nicht aufgeben. Wenn uns genug Atem blieb, machten Andrea und ich uns gegenseitig Mut und zählten die geschwommenen Bahnen, auch halbe. Und so gelang es uns: Mit letzter Kraft schlugen wir nach der vierten Bahn an. Wir hatten es geschafft!

Völlig erschöpft kletterten wir aus dem Wasser. Die gemessenen Zeiten wichen nur um ein oder zwei Sekunden voneinander ab. Der Lehrer gab uns den Schnellhefter mit dem kopierten Notenschlüssel in die Hand. Begierig sahen wir auf die Liste. Ganz oben standen die Zeiten für die Eins, darunter die für die Zwei, und so weiter. Unsere Blicke wanderten immer weiter hinunter. Schließlich fanden wir unsere Zeiten in der Liste. Die Note, mit der sie bewertet wurden, war die Sechs.

Die ganze Quälerei also für nichts und wieder nichts? Wäre ich an dem Tag zu Hause geblieben – die Note wäre die gleiche gewesen. Und natürlich war es mir peinlich, erzählen zu müssen, wie ich denn nun bei den 100 Metern abgeschnitten hatte. Und natürlich zogen meine Freundinnen mich eine ganze Weile damit auf. Aber ich hatte gewonnen. Gegen meine Angst, meine Feigheit, meine Scham. Und so war diese Sechs letztendlich eine sehr gute Note für mich.

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