Schnitzeljagd trifft Wirklichkeit oder: Das 20-jährige Abi-Treffen

Mitte November war ich bei meinem 20-jährigen Abiturtreffen. Ende November war ich in der Schreibwerkstatt. Die erste Schreibanregung dort: Schnitzeljagd! In der Schule hieß das Reizwortgeschichte. Die Aufgabe: Stricke um eine Reihe von Wörtern einen Text. Die Geschichte, die zu mir kam, war die des Abi-Treffens zwei Wochen zuvor. Das Ergebnis ist ein fast zu 100% autobiographischer Text. Welche Wörter zur Schnitzeljagd gehören, welches Wort ich nicht unterbringen konnte und warum, steht am Ende dieses Artikels. Doch nun zunächst:

Das 20-jährige Abi-Treffen
Noch keiner verschrumpelt! Das ist mein erster Gedanke, als ich die hell beleuchtete Aula meiner alten Schule betrete. Ich bin ein bisschen spät dran. Im Halbkreis stehen etwa 30 Leute, die hier Abitur gemacht haben. Ich bin einer von ihnen. Mit einem Blick in die Gesichter schmelzen 20 Jahre dahin. Bilder erscheinen, Erinnerungen erwachen; sowohl ungewollt versunkene als auch absichtlich in die Ecke gekickte. Ich bin wieder 19.

Die Schulleiterin, die keiner von uns kennt, beendet ihre kurze Begrüßungsrede und startet die Führung durch unsere Schule. Ich folge mit schlafwandlerischem Vertrauen.

Station 1: Physiksaal. Ich kann Herrn Allofs vor mir sehen. Ein freundliches Männlein, das mit Feuereifer versucht, uns für die physikalischen Gesetze zu begeistern. Ich kann mich nur daran erinnern, dass wir sehr oft Steine in kochendes Wasser gelegt und dann die Temperatur gemessen haben. Ob Herr Allofs noch lebt? Ich traue mich nicht zu fragen.

Station 2: Chemiesaal. Ich denke daran, wie Herr Hecking unterm Dunstabzug mit einer Art kurzen Schürhaken gestochert hat, nachdem er einen dunklen Klumpen abgefackelt und eingeäschert hatte. Die Flamme war grün gewesen… Brom? Zu meiner besten Freundin und mir pflegte Herr Hecking zu sagen: Gute Chemikerinnen, aber verkaufen sich schlecht. Ich konnte ihn nicht besonders leiden.

Station 3: Eines der vielen Klassenzimmer. Hatten wir nicht hier in der Neunten Englisch? Bei Herrn Dutt, der den Mund mümmelnd bewegt hat beim Nachdenken. Herr Dutt, der ein bisschen schwer gehört, meine Antworten aber immer richtig verstanden hat. Englisch war mein Lieblingsfach.

Zurück in der Aula kommt mir unser Abitur-Streich in den Sinn. Es hatte damals ganz schön Ärger gegeben, als die Aula voller Wasser war. Nicht unsere Schuld. Wir hatten Dutzende, nein, sicher mehrere Hundert Joghurtbecher mit Wasser gefüllt und in der ganzen Aula aufgestellt. Unserer Meinung nach ein unüberwindliches Hindernis für die Schüler und Lehrer, die morgens in die Schule wollten, in der wir die Nacht verbracht hatten. Wie sollten wir ahnen, dass unverfrorene Fünftklässler die Plastikbecher einfach niedertrampeln würden?

Aber wir waren keine Hasenfüße. Wir nahmen einen Anwalt. Dessen scharf formuliertes Antwortschreiben auf die Schadenersatzforderung des Schulamtes brachte uns schnell aus dem Schlamassel heraus.

Die Schulleiterin sagt: Ich hoffe, Sie hatten etwas Freude an dem Rundgang durch Ihre alte Schule. Es hat sich ja doch einiges verändert.

Und irgendwie auch nicht, denke ich. Ich schaue jetzt bewusster in die Gesichter. Ich lächele, zwinkere einigen zu. Mir ist wohlig warm und ich freue mich darauf, den Rest des Abends mit dieser Bande zu verbringen.

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Und ein schöner Abend war es, in der Tat!
Diese Wörter waren unterzubringen, und zwar der Reihenfolge nach, von unten nach oben gilt auch:

Pfauenfeder
Schlamassel
Hasenfuß
mümmeln
einäschern
Schürhaken
Feuereifer
Männlein
Schlafwandler
kicken
verschrumpelt

Die Pfauenfeder musste draußen bleiben. Kein Wunder, denn weder hat sich beim Treffen jemand wie ein eitler Pfau benommen noch hat sich jemand mit fremden Federn geschmückt – zumindest nicht soweit ich das einschätzen kann. Das Wiedersehen war herzlicher und ungezwungener als erwartet, ich habe es sehr genossen. Mal sehen, wie sich der Verschrumpelungsgrad beim nächsten Mal darstellt. 😉

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