Monatsarchiv: April 2016

Der Schokoladenkuchen

An seiner Sündermiene erkannte sie sofort: Er war wieder bei ihr gewesen. Gleich würde er sich überschwänglich entschuldigen für sein spätes Heimkommen, der liebestolle Hengst! Wieder so viel Arbeit. Die wichtige Präsentation hatte noch vorbereitet werden müssen. Oder die Auswertung der Quartalszahlen. Oder der Management Report. Oder, oder, oder.

Er hängte seinen Mantel an die Garderobe, kam zu ihr in die Küche und küsste sie flüchtig auf die Wange. „Schätzchen, es tut mir so leid, dass ich so spät nach Hause komme. Du weißt ja, Quartalsende. Der Chef brauchte unbedingt noch die Zahlen für die Telko mit den Koreanern morgen früh.“

Sie nickte nur und strich den Zuckerguss auf dem Schokoladenkuchen glatt. Schokoladenkuchen mochte er am liebsten.

„Du hast ja gebacken, mein Schätzchen! Ach, du bist die Beste!“ Er umarmte sie, zog sie an sich und küsste sie auf den Mund. Sie ließ es geschehen. Sie schaffte es sogar, ihn anzulächeln, als er sie wieder losließ, obwohl die Haare seines Schnauzbartes, den er seit ein paar Wochen trug, sie unangenehm stachen.

Sie fand, er sah albern aus mit dem Bart. Ob er der anderen gefiel? Vielleicht mochte die andere das Piksen. Sie stellte sich die beiden vor, wie sie sich im Bett wälzten, wie die andere sich an ihrem Mann rieb, erregt von seinem dornigen Schnauzer. Sie wischte das Bild weg.

„Möchtest du ein Stück?“ fragte sie. Weiterlesen

Kalenderspruch der Woche (16/2016)

Sometimes it snows in April
Sometimes I feel so bad, so bad
Sometimes I wish that life was never ending,
But all good things, they say, never last
Prince

Lesetipp: „Old Filth“-Romantrilogie von Jane Gardam

Edward Feathers ist „Ein untadeliger Mann“ (Titel der deutschen Übersetzung des ersten Bandes, englisch: „Old Filth“): Geboren in Malaysia, als dieses noch zum British Empire gehört; aufgezogen von lieblosen Pflegeeltern in Wales; später höchst erfolgreicher und respektierter Anwalt in Hong Kong; treu geliebt von seiner Ehefrau Betty, mit der er die letzten Jahre in Dorset verbringt, auf ein scheinbar makelloses Leben zurückblickend. Bettys plötzlicher Tod bringt die Fassade jedoch zum Wackeln und lässt tief Vergrabenes ans Licht treten.

Der Clou an Jane Gardams liebenswürdig und witzig geschriebener Trilogie ist die Erzählweise: Im ersten Band steht Edward Feathers im Mittelpunkt. Im zweiten (englisch: „The Man with the Wooden Hat“, deutsch: „Eine treue Frau“) erleben wir die Geschichte aus Bettys Perspektive und im dritten Buch („Last Friends“) kommt Terence Veneering, Edward Feathers lebenslanger Rivale, zu Wort.

Mit jedem Band lernen die Leser die Figuren besser kennen. Charaktere erscheinen dadurch in neuem Licht und gefasste Meinungen müssen revidiert werden. Eine wunderbare Leseerfahrung, für die man auch im echten Leben immer offen sein sollte.

Old-Filth-Trilogy

Kalenderspruch der Woche (15/2016)

Es spielt keine Rolle, wie multikulturell oder wie weitgereist du bist, du bleibst provinziell und beschränkt, wenn du nicht regelmäßig aus deinem Denken heraustrittst.
Priya Basil, „Woher kommst du?“. In: Lettre International 112, Berlin 2016

Kalenderspruch der Woche (14/2016)

Bankraub ist eine Unternehmung von Dilettanten. Wahre Profis gründen eine Bank.
nach Bertolt Brecht