Vom vertikalen Zick-Zack-Tourismus

 

Einer der beiden Witze, die ich kenne, geht so: Was ist der Unterschied zwischen einem Terroristen und einem Touristen? – Der Terrorist hat Sympathisanten… Gut, der Witz reißt nicht gerade vom Hocker und er stammt aus Zeiten lange vor 9/11 und bevor ich zum Weltenbummler wurde.

 

Es ist jedoch auf jeden Fall so, dass Touristen sehr verschieden sind. Ich möchte heute nach drei Dimensionen unterscheiden:

1.Vertikal vs. Horizontal

2. Geradlinig vs. Zick-Zack

3. Einfach vs. Heikel

 

Zu 1. Gemeint ist nicht, ob jemand im Urlaub eher steht oder liegt. Ein horizontaler Tourist will jeden Tag Neues sehen. Das sind die Leute, die übers Wochenende zum Shopping nach London fliegen und glauben, sie würden die Stadt kennen. Die komisch schauen, wenn man mehr als eine Woche an einem Ort verbringt: „Was machst du denn da die ganze Zeit?“ Der vertikale Tourist antwortet: „Da gibt es immer noch etwas zu entdecken!“ Der vertikale Tourist bohrt sich nämlich in die Tiefe, bis er auf die echte Atmosphäre eines Ortes stößt – und die nimmt er sich dann mit. Wenn man häufiger an dieselben Plätze, Straßen, Gassen und Parks kommt, wird man mit den Kleinigkeiten und Feinheiten vertraut  Der fremde Ort wird zu einem Teil der Heimat.

 

Zu 2. Jemand, der die U-Bahn-Karte studiert, um herauszufinden, welche Station am wenigsten entfernt vom gewählten Ziel liegt und lieber fünf Mal umsteigt, als ein paar Straßenzüge zu gehen, gehört zur geradlinigen Sorte. Schließlich will man ja zu dem einen Ort und dahin gibt es genau einen guten Weg. Das Ziel ist das Ziel. Der Zick-Zack-Tourist hingegen erkundet sehr gern alle möglichen spannenden Objekte abseits der direkten Route. Oft lässt er sich auch ohne konkretes Ziel treiben; erforscht, entdeckt, entspannt. Wenn man für eine Sache nicht unbedingt pünktlich zur Stelle sein muss, warum nicht ein bisschen Streunen?

 

Zu 3. „Also, das Hotel fanden wir jetzt nicht so gut … das Zimmer war kleiner als im Katalog stand … da hat man die Straße gehört (beim Hotel mitten in der Stadt) … da brauchte man immer erst so lange in die Stadt (beim ruhigen Hotel etwas außerhalb)“. Der heikle Tourist erwartet stets das Beste und bekommt es nie, denn nichts ist ihm gut genug. Einmal haben mir Leute erzählt, die mit mir in einem wirklich sehr, sehr guten Hotel mitten im Paradies gewohnt hatten, dass sie es nicht so gut fanden, dass im Bad nur einfarbige und keine gemusterten Fliesen waren. Nun, was soll man dazu noch sagen?

Der einfache Tourist freut sich über ein appetitliches Frühstück, warmes Wasser und ein sauberes Zimmer. Viele Leute können überhaupt nicht Leistung und Preis in ein gesundes Verhältnis setzen. Wer Luxus will, muss eben auch den Preis zahlen. Einfacher Tourist zu sein heißt aber nicht, alles toll zu finden. Relation ist das Zauberwort.

 

So lange man alleine in Urlaub fährt (manchmal hab ich das Gefühl, dass nur ich das mache…), kann man seine Touristen-Natur natürlich nach Belieben ausleben. Spannend wird es, wenn man mit anderen unterwegs ist und verschiedene Typen aufeinander treffen: Konfliktpotenzial! Und Konflikte im Urlaub sind nicht erholungsfördernd.

 

Was tun? Gut ist, wenn es Rückzugsmöglichkeiten für die Einzelnen gibt und man nicht zwingend immer alles gemeinsam machen muss. Manche lungern am Pool während andere auf Besichtigungstour gehen. Einer streift zum tausendsten Mal durch die Gassen der Altstadt während die anderen an den See fahren.

 

Und auch wenn’s manchmal trotzdem anstrengend ist: Konfliktpotenzial birgt die Chance zur Übung in Gelassenheit und Toleranz. Also, lasst uns den Witz vom Anfang Lügen strafen und sympathisieren!

 

Eine Antwort zu “Vom vertikalen Zick-Zack-Tourismus

  1. Sehr schön,

    als Leser neigt man ja bei solchen Kategoriesierungen dazu, sich selber einzuordnen.
    Und es mag an der Situation liegen, dass ich gerade im Zug hocke und deshalb diese Urlaubsmetaphern versuche, auf den Arbeitsalltag zu übertragen.
    Aber ich habe dabei gerade die Entdeckung des horizontalen Zugreisenden gemacht.
    Der Kerl mir gegenüber schafft es ziemlich gut, völlig horizontal seine Augen zu verdrehen und den Bildschirm seines Nachbarn zu lesen. Ein wundervolles Bild.
    Wann er wohl davon Kopfschmerzen bekommt?
    macht horizontal Koptschmerzen?

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