Ich denke gerne von mir als „guter Mensch“. Offen, freundlich, tolerant. Besonnen, hilfsbereit, kooperativ. Wer meine Freunde oder Kollegen fragt, ob ich diese Eigenschaften aufweise, wird überwiegend Zustimmung ernten. Das ist gut so, denn ich will nicht nur selbst so über mich denken, ich will auch, dass andere dieses Bild von mir haben.
Doch es gibt Momente, da will ich Leute anpöbeln, weil sie an zu lahm an einem Fitnessgerät trainieren oder zu langsam vor mir auf der Straße gehen. Da will ich Leute schlagen, weil sie ihren Motor unnötig laufen lassen oder sich an der Kreuzung rücksichtslos an mir und meinem Rad vorbei drängeln. Da will ich Leute von der Klippe stoßen, weil ich sie verdächtige, meine Leistung nicht vollauf zu würdigen oder mich zu unterschätzen.
Sollten die Menschen in meinem Umfeld also lieber das Weite suchen, weil in mir eine Bestie schlummert, die jeden Augenblick erwachen und Verderben bringen kann?
Nein. Ich bin ziemlich sicher tatsächlich ein guter Mensch, auch unter der Oberfläche. Dazu gehören eben manchmal auch zerstörerische Gedanken. So lange nicht ein wirklicher Drang besteht, sie auszuleben, sind solche Gedanken gesund, denn sie kanalisieren die Aggressivität, die in gewissem Maß jeder Mensch in sich trägt.
Viel gefährlicher ist es, solche Gedanken nicht zuzulassen oder sie zu verleugnen…Ich jedenfalls würde niemandem trauen, der immer nur lieb ist…