Carolas Suche, Teil 3
Was zuvor geschah…
„Und Eins, Zwei, Wiegeschritt. Sehr schön! Und gleich nochmal!“ Mit energiegeladener Stimme übertönte der Tanzlehrer die dröhnende Tangomusik.
Carola wünschte, ein wenig dieser Energie würde auf ihren Tanzpartner überspringen. Bernd, 36, geschieden, zwei Katzen, keine Kinder, hatte zaghaft lasch seine Hände auf Carolas Hüfte und Arm gelegt. Mehr Nachdruck zeigten Bernds Beine und Füße. Wenigstens entschuldigte er sich jedes Mal höflich, wenn er wenig filigran Carolas Zehen traktierte.
‚Einen passenden Partner zu finden, ist nie einfach. Und wenn man die magische 30 überschritten hat, wird es umso schwieriger. Nachdem die online-Partnerbörsen den Reiz des Neuen endgültig verloren haben, geht der Trend wieder zum Althergebrachten. Immer mehr Tanzschulen bieten Kurse speziell für Singles an. Unter Mottos wie ‚Tanz in die Zweisamkeit‘ oder ‚Gut getanzt ist halb verlobt‘ können einsame Herzen in lockerer Atmosphäre ihren Seelenpartner finden. Der Ablauf ist ähnlich wie beim Speed Dating. Die Teilnehmer kommen allein und nach jedem Tanz wird der Partner gewechselt. Auf diese Weise erfährt man schnell, wer denselben Rhythmus hat wie man selbst. Probieren Sie es aus!‘
So hatte es in der Frauenzeitschrift gestanden. Carola hatte gezögert. Als sie zuletzt in der Tanzstunde gewesen war, hatte sie eine dauergewellte Pudelfrisur getragen und bevorzugt Apfelsaft mit Amaretto getrunken.
„Autsch!“ entfuhr es Carola. „Entschuldige bitte, es tut mir so leid.“ Bernd klang ehrlich zerknirscht. Die Musik endete und der Tanzlehrer verkündete: „Partnerwechsel!“
Carola war nicht traurig, als Bernd in Richtung der Dame links von ihr verschwand. Stattdessen stand nun ein umwerfend attraktiver Mann vor ihr. Einen halben Kopf größer als sie selbst, schlank, volles dunkles Haar mit ersten grauen Sprenkeln und einem spitzbübischen Zwinkern in den Augen. „Ich bin Nick.“ Seine Stimme war tief und leicht rau. „Carola.“ Mehr brachte sie nicht heraus.
Der nächste Tanz begann, ein Wiener Walzer. Mit gekonnter Leichtigkeit führte Nick Carola übers Parkett und sie folgte ihm willig. Von den vielen Drehungen wurde Carola angenehm schwindelig. Da kam ihr der Artikel aus der Frauenzeitschrift in den Sinn, den sie im Bus auf dem Weg hierher gelesen hatte; ein Interview mit der Beziehungsexpertin Dr. Walburga Korbmann-Schimmelstein.
‚Das Hauptproblem der modernen Frau ist der Leistungsdruck, unter den sie nicht nur den Partner, sondern die Beziehung im Gesamten stellt. Bei meinen Vorträgen führe ich in jeder Stadt Gespräche mit Frauen, die es – verzeihen Sie den Ausdruck – vermaledeit nicht unterlassen können, ihren Partner von Tag 1 an umzukrempeln. Das kann nur zur Trennung führen. …‘
„Kommst du häufiger hierher?“, fragte Nick. „Heute hat es sich zum ersten Mal gelohnt“, antwortete Carola strahlend. Nick lachte: „Sehe ich genauso.“
Sie schwebten weiter im Dreivierteltakt. Nick war sicher kein Mann, den Carola hätte umkrempeln wollen. Er schien ihr perfekt.
Von dem Ehering in Nicks Hosentasche – eilig abgezogen vor dem Betreten des Tanzsaals – konnte Carola ja auch nichts ahnen.
„Dr. Walburga Korbmann-Schimmelstein“ herrlich, dieser Name. 🙂
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