Carolas Suche, Teil 5
Was zuvor geschah…
‚Können wir uns treffen? Brauche dringend deinen Rat! Nick‘ Susanne stand vor einem Bild von Ignatz Besserberg, als Nicks SMS piepste. Besserberg wurde in der Kunstszene als der aufgehende Stern der modernen Malerei gehandelt. Sein Bild zeigte vier daumendicke waagrechte Linien in Rot. Die vierte Linie war unterbrochen.
Susanne sollte Besserberg interviewen und einen Artikel über seine Ausstellung für das Kulturmagazin ihres Verlagshauses schreiben. Zwar war sie mit ihrem Job in der Redaktion der Frauenzeitschrift mehr als ausgelastet, aber die Kollegin der Kulturredaktion lag mit Sommergrippe im Bett und da war Susanne eingesprungen.
„So ein Gekritzel“, dachte Susanne. Vielleicht war das vermessen, sie war schließlich keine Expertin. Einerlei, ihr großer Bruder bat sie um Hilfe und das war schon ungewöhnlich. ‚In einer Stunde im Café Eisberg‘ schrieb sie an Nick und ging dann hinüber zu Ignatz Besserberg, einem hageren End-Vierziger mit wirrem angegrauten Haar und einer dicken Hornbrille. Mit einem Glas Prosecco in der Hand schäkerte er mit Babette von Scheinstein, der Besitzerin der Galerie. Die Dame versank fast vollständig in einem Dutzend bunter Schals und nur die kupferfarbene Lockenpracht ließ erahnen, wo genau der Kopf saß.
Besserberg begrüßte Susanne überschwänglich, nachdem sie sich vorgestellt hatte. „Ah, ma chère, formidable! Ich erzähle Ihnen alles über mein Werk. Wissen Sie, meine Bilder sind für mich wie lebende Bücher, wenn Sie wissen, was ich meine. Kommen Sie, in den Arbeiten aus dem ‚Zyklus Epsilon‘ werden Sie verstehen. Eine Offenbarung erwartet Sie!“
Nach fast eineinhalb Stunden betrat Susanne das Café Eisberg. Besserberg hatte sich tatsächlich als höchst auskunftsfreudig erwiesen. Als Nick sie sah, sprang er erleichtert auf und umarmte sie. Solche Gefühlsausbrüche war Susanne von ihrem Bruder nicht gewohnt.
„Nick, was ist denn los?“
„Ich habe Mist gebaut, großen Mist!“
„Beruhige dich. Eins nach dem anderen. Was ist passiert?“
„Ich hab dir doch von Carola erzählt.“
„Die Frau aus der Tanzstunde?“
„Genau. Ich… Ich glaube, ich könnte mich in sie verlieben.“
„Aber das ist ja wunderbar! Wo liegt das Problem?“
„Ich habe Carola vorhin getroffen. Und zwar so.“ Er hielt seine linke Hand hoch, der goldene Ring glänzte. „Sie hat mir ihren Kaffee ins Gesicht geschüttet und ist davon gestürmt.“
Susanne seufzte. „Du musst den Ring endlich ablegen, Nick. Es sind jetzt fast zwei Jahre.“
Nick sah Susanne traurig an. Sie fuhr fort: „Von Ben weiß Carola vermutlich auch nichts?“
Nick schüttelte den Kopf.
„Und du glaubst wirklich, du könntest dich verlieben?“
Er nickte.
„Weißt du, wo Carola wohnt?“
Erneutes Nicken.
„Dann fahr sofort zu ihr und erzähle ihr alles. Das ist deine einzige Chance.“
Nick schloss die Augen und fuhr sich mit den Händen über Gesicht und Haare. Dann zog er langsam den Ehering von der Hand und gab ihn Susanne.
„Würdest du ihn für mich aufbewahren?“
Susanne tat so, als würde sie die Tränen in Nicks Augen nicht bemerken.
„Natürlich, großer Bruder. Und nun los!“
Nick küsste Susanne zärtlich auf die Wange, dann eilte er aus dem Café. Als er schon aus der Tür war, kam die Bedienung und fragte Susanne: „Haben Sie Wünsche, meine Dame?“
Susanne lächelte. „Lassen Sie uns mit einem großen Milchkaffee anfangen.“
sehr schöne Wendung!
Sebastian
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Danke. Nick musste einfach ein Guter sein… 🙂
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Männer sind meist die guten, dass weißt du ja 😉
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