Monatsarchiv: September 2016

Kalenderspruch der Woche (39/2016)

Die Menschen haben keine Zeit mehr, irgendetwas kennen zu lernen. Sie kaufen sich alles fertig in den Geschäften. Aber da es keine Kaufläden für Freunde gibt, haben die Leute keine Freunde mehr.
Antoine de Saint-Exupéry
(aus: Der Kleine Prinz, Originalübersetzung, Karl Rauch Verlag, Düsseldorf)

Kalenderspruch der Woche (38/2016) – Nachtrag

Wenn man einer Wüste nur ihre Trockenheit ansieht, liegt das daran, daß man keine Oasen in sich trägt.
Yan Lianke (In: Der Brennpunkt der Welt, Lettre International 113, Berlin)

Kalenderspruch der Woche (37/2016)

Himmlischer Besuch:
Der Regen klopft ans Fenster
wie ein guter Freund.

Ernst Ferstl

Weißwein und Eisbein: Wandern im Elsass – Teil 1

Ohne Flugzeug sollte das diesjährige Urlaubsziel zu erreichen sein. Entspannung, schöne Landschaft und gutes Essen sind ohnehin immer Anforderung. Und so fiel die Wahl auf eine Wanderreise von Ort zu Ort im Elsass.

Anreise mit dem Zug über Strasbourg nach Colmar, die letzten fünf Kilometer mit dem Taxi zum ersten Standort: Turckheim. Strömender Regen am ersten Abend ließ uns schnell die Wahl für das Restaurant fürs Abendessen treffen. Zum Glück: Es war eine gute!

Turckheim – ohne Regen

Die Elsässische Küche zeugt von der Nähe zu Deutschland: Viel Fleisch, vor allem Schwein, deftig zubereitet, die Portionsgrößen oft rustikal. Neben dem berühmten Flammkuchen (gern als Vorspeise serviert) zählen zu den lokalen Spezialitäten: Choucroute garnie (ein Berg Sauerkraut mit fünf verschiedenen Wurst- und Fleischsorten) und Baeckeoffe (ein Schmortopf aus Fleisch, Kartoffeln und Gemüse), ebenso Schäufele und Eisbein sowie der Munster (ein intensiver Käse, der schnell aufdringlich werden kann). Zu reichlich Essen gibt es reichlich leckeren lokalen Wein, vornehmlich Riesling, Pinot Blanc, Pinot Gris und Silvaner.

Diät-Opfer sind im Elsass also falsch. Wer jedoch nach einer Tageswanderung ein kräftiges Essen genießen kann, ist goldrichtig!

Soweit zu den Grundlagen. Und wo ging’s überall lang?

Wanderung rund um Turckheim
Bergauf und bergab durch Weinberge und Wälder; zunächst zur Ruine der Festung Hagueneck, danach nach Eguisheim (eins von vielen pittoresken Fachwerkdörfern, bekannt für seine vielen Storchennester) und weiter zur Hohlandsbourg. Regen im letzten Drittel der Wanderung… Matsch und mein Gemecker… besänftigt durch leckeres Essen und feinen Wein am Abend (siehe oben).

Ausflug nach Colmar
Colmar ist eine sehenswerte kleine Stadt. International bekannt und Highlight im Musée Unterlinden: Der Isenheimer Altar von Matthias Grünewald. Die hübsche Altstadt mit Flüsschen lädt ein zum Flanieren.

Von Turckheim nach Riquewihr
Über Orte mit Namen wie Niedermorschwihr und Katzenthal nach Kaysersberg, dem Geburtsort Albert Schweitzers. Nach einem Parkbank-Picknick weiter nach Riquewihr. Natürlich auf dem Weg wieder: Wälder, Weinberge und Burgruinen.
In Riquewihr: Fachwerkhäuser, gut erhaltene Teile der alten Stadtbefestigung, ein liebevoll eingerichtetes Postmuseum – und viele Touristen.

In Bälde folgt Teil 2.

Kalenderspruch der Woche (36/2016)

Jeder, der sich die Fähigkeit erhält, Schönes zu erkennen, wird nie alt werden.
Franz Kafka zugeschrieben

Kalenderspruch der Woche (35/2016)

Ein Zitat aus dem Kurzroman „Cooper“ von Eberhard Rathgeb, gehört letzte Woche beim Poetenfest und heute fertig gelesen. Kein Buch für Leser, die vom Autor alle Fragen beantwortet bekommen wollen, sondern für die, die Leerstellen gerne selbst füllen, verfasst in herrlich poetischer Sprache.

Die Angst vor dem Werden ist groß, und sie führt vorzeitig zum Tod. Wenn sie uns packt und uns nicht mehr loslässt, dann stiehlt sie uns das Leben, sie nimmt uns die Luft zum Atmen. Dabei lebt alles nur, weil es sterben wird. Sich dem Werden überlassen, siehst du, das ist ganz einfach, das heißt nur, Vertrauen haben, auch wenn, ja gerade weil das Werden die eigenen Kräfte und Einsichten übersteigt.
Eberhard Rathgeb, „Cooper“, 2016, Carl Hanser Verlag München

Mein Erlanger Poetenfest 2016

Auch in diesem Jahr war es wieder der Höhepunkt im Erlanger Kulturkalender. Zum 36. Mal fand das Erlanger Poetenfest statt, wie gewohnt am letzten Wochenende im August.

Auftakt am Freitagabend im Markgrafentheater: „Die Lange Nacht der Ersten Erde“.
Raoul Schrott hat mit „Erste Erde“ ein Epos geschaffen. Aus dem Blickwinkel des Dichters erforscht er die Entstehung und Entwicklung des Universums, der Erde, des Lebens.

Im ersten Teil des tatsächlich langen, aber kurzweiligen Abends erzählte Raoul Schrott über seine Motivation und Herangehensweise, über die Reisen, die er unternommen hat, um das Werk zu schaffen sowie die Menschen, die er dabei getroffen hat. Leseproben gab es auch – die hätten gerne noch länger sein dürfen.

Anschließend bat Raoul Schrott vier Experten aus den Bereichen Molekularevolution, Physik, Paläontologie und Astrophysik auf die Bühne. Was wohl als Gesprächsrunde geplant war, wurde eher zu Kurzvorträgen der jeweiligen Wissenschaftler – das war zwar etwas schade, denn einen tiefergehenden fachlichen Austausch gab es dadurch nicht, spannend war es allemal. Eine außergewöhnliche Veranstaltung und ein gelungener Start!

Beide Lesenachmittage im Schlossgarten waren wunderbar: Vielfältig, abwechslungsreich, spannend.  Meine Favoriten:
Tilmann Rammstedt – Morgen mehr
Der Ich-Erzähler muss dafür sorgen, dass seine Eltern sich kennenlernen, damit sie ihn zeugen können. Seine Mutter stürzt sich allerdings 24 Stunden vor dem einzig möglichen Zeugungstermin in ein amouröses Abenteuer mit einem melancholischen Franzosen und der Vater wird mit einbetonierten Füßen in den Main geworfen. Kann das noch was werden?

Sharon Dodua Otoo – Herr Gröttrup setzt sich hin
Der Text gewann den diesjährigen Ingeborg-Bachmann-Preis. Die 1972 in London geborene Autorin ghanaischer Eltern lebt seit 10 Jahren in Berlin. Ihr Text erzählt von deutscher Pünktlichkeit, eingefahrenen Ehen und unsichtbaren Wesen.

Shida Bazyar – Nachts ist es leise in Teheran
Die Autorin mit iranischen Wurzeln wurde 1988 in Deutschland geboren. In ihrem Roman lässt sie verschiedene Personen einer Familie zu verschiedenen Zeitpunkten (von 1979 bis 2009) an verschiedenen Orten (Iran, Deutschland) zu Wort kommen.

Silke Scheuermann – Wovon wir lebten
Der Protagonist Marten scheint wenig Chancen auf ein „erfolgreiches“ Leben zu haben: die Mutter Alkoholikerin, der Vater lieblos. Dennoch schafft Marten den Aufstieg zum Fernsehkoch. Der Roman ist inspiriert von Dicken’s „Great Expectations“.

Katharina Winkler – Blauschmuck
Blauschmuck, das sind die Blutergüsse, die muslimische Frauen durch die Schläge ihrer Männer oder Väter tragen. Auch die Ich-Erzählerin Filiz, eine Kurdin aus der Osttürkei, trägt Blauschmuck. Sie träumt vom Westen und von Jeans. Doch auch nachdem sie mit ihrem brutalen Ehemann nach Wien kommt, findet sie die erhoffte Freiheit nicht. Sie muss sie sich erst erkämpfen. Erzählt nach einer wahren Begebenheit.

Abbas Khider – Ohrfeige
Es braucht eine Ohrfeige, Fesseln und einen Knebel, damit die Sachbearbeiterin im Ausländeramt dem Flüchtling Karim Mensy zuhört. Endlich hat er Gelegenheit, in Ruhe seine Geschichte zu erzählen. Vor ein paar Jahren habe ich Abbas Khider bei einer Lesung aus „Brief in die Auberginenrepublik“ gehört – und war auch damals schon beeindruckt – vom Autoren wie vom Menschen Abbas Khider gleichermaßen.

Eberhard Rathgeb – Cooper
Es fängt ganz harmlos und idyllisch an: Eine junge Familie mit zwei Töchtern fährt aufs Land, um dort ein Wochenende im neu gekauften Häuschen zu verbringen. Doch das Schicksal hat anderes vor. Es werden schreckliche Dinge geschehen. Welche das sind, kann ich demnächst berichten. Denn gestern habe ich angefangen, das Buch zu lesen.

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