Komm, sagte er.
Bist du sicher, fragte sie.
Na, komm schon, sagte er.
Kichernd und händchenhaltend betraten die beiden das Jahrmarktszelt. „Lady Lavinia – Wahrsagungen und Horoskope“ stand auf dem Schild neben dem Eingang. Drinnen sah es aus wie in einem Liebesnest. Schummriges Licht von Öllampen und Kerzen, schwere brokatverzierte Vorhänge an den Wänden, auf dem Boden dicht gewebte Teppiche und ein Dutzend großer bunt bestickter Kissen.
Nehmt Platz, wies Lady Lavinia mit dunkler voller Stimme an. Sie saß hinter einem kleinen runden Holztisch, davor zwei Stühle. Auf dem Tisch: eine Glaskugel.
Die beiden setzten sich.
Er holte Luft, um etwas zu sagen, doch Lady Lavinia hob die Hand und dabei klimperten die Steine ihrer übergroßen Ohrringe. Nur ich werde sprechen, sagte sie. Ich brauche keine Fragen für meine Antworten.
Lady Lavinia beugte sich tief über die Glaskugel. Mehrere Minuten starrte sie darauf, ohne ein Wort zu sagen. Auch die beiden blieben still.
Da brat mir doch einer einen Rattenschwanz, murmelte Lady Lavinia endlich. Sie sah von ihrer Glaskugel auf. Über ihren Tränensäcken leuchteten klare blaue Augen. Ein Lächeln umspielte ihre dick geschminkten Lippen, bevor Lady Lavinia den beiden wahrsagte.
Draußen, dem Zelt gegenüber, summte der Drehorgelmann leise die Melodie seiner Orgel mit. Der Drehorgelmann sah, wie der schwere Vorhang des Zelteingangs von innen hochgerissen wurde. Heraus stürzte ein junger Mann, noch keine 20 Jahre alt, leichenblass, mit keuchendem Atem und lodernden Augen. Kopflos rannte er davon.
Ein, zwei Augenblicke später trat eine junge Frau aus dem Zelt. Sie wirkte ruhig, gefasst. Als sie gleichmäßigen Schrittes in die andere Richtung ging, fiel ein Sonnenstrahl auf ihr langes Haar und ließ es rostrot leuchten.