Vicki Baum führte ein bewegtes Leben: 1888 in Wien in eine gutbürgerliche, aber eher dysfunktionale Familie geboren, auf Drängen der Mutter zur Harfenistin ausgebildet und als Berufsmusikerin erfolgreich. 1909-1913 die erste Ehe, durch den Mann kommt sie zum Schreiben. 1916 die zweite Hochzeit, zwei Söhne kommen zur Welt. Die Familie lebt in verschiedenen Städten in Deutschland, Baum wird Redakteurin und anerkannte Autorin beim Berliner Ullstein-Verlag. 1929 erscheint „Menschen im Hotel“ und macht sie auch international bekannt. Der Roman wird in Berlin und am Broadway auf die Bühne gebracht und 1932 mit Greta Garbo verfilmt. Für eine Werbekampagne geht Baum 1931 in die USA und bleibt dort bald dauerhaft; sie hat die Zeichen der Zeit wohl früh erkannt. Baum ist schriftstellerisch produktiv und reist viel, nach dem Krieg auch wieder nach Europa. Ihre Bücher sind kommerziell erfolgreich, werden von der Kritik aber oft als Trivialliteratur abgetan – zu Unrecht. In späteren Jahren ist Baums Gesundheit angegriffen, sie erkrankt an Leukämie und stirbt 1960 in Los Angeles.
Anfang März 2020 wird Baums Roman „Vor Rehen wird gewarnt“ (1951) im Literarischen Quartett besprochen (ab 37:17). Das hat mich neugierig gemacht auf die Antiheldin Ann Ambros, die durch ihre unablässig an den Tag gelegte Hilflosigkeit alle und jeden in ihrer Umgebung manipuliert und so immer ihren Willen bekommt. Meine Sympathie gewann beim Lesen zunehmend Anns Stieftochter Joy, die spät beginnt, gegen die Mutter aufzubegehren und dadurch eine Zugfahrt möglicherweise zum schicksalhaften Wendepunkt werden lässt.