Monatsarchiv: November 2021

Autorin der Woche (47/2021)

Die US-Amerikanerin Susan Sontag (1933-2004) ist vor allem für ihre Essays (von denen ich ehrlicherweise noch keines gelesen habe) sowie ihr politisches und gesellschaftliches Engagement bekannt. Kurzgeschichten hat sie nur wenige geschrieben. Im Sammelband „Wie wir jetzt leben“ sind fünf davon zu finden, zwei haben mir besonders gut gefallen.

Der Text „Wie wir jetzt leben“ erschien erstmals im November 1986 im New Yorker. Darin hören wir die Stimmen von Freunden und Bekannten eines an Aids Erkrankten. Sie sorgen und sie kümmern sich, sie meinen es ausschließlich gut mit dem Freund und ziehen doch gleichzeitig eine Linie zwischen „ihm“ und „uns“ – um die eigene Furcht vor der Epidemie von sich fernzuhalten.

In „Wallfahrt“ erzählt Sontag, wie sie als Vierzehnjährige gemeinsam mit einem Schulfreund Thomas Mann in seinem kalifornischen Exil besucht. Sie bewundert Mann damals fast wie eine Gottheit, vor allem für dessen „Zauberberg“. Erst vierzig Jahre später schreibt Sontag die Geschichte dieser Begegnung auf, die sie als peinlich und beschämend banal empfindet. Manchmal ist es wohl besser, wenn Idole Idole bleiben und nicht zu Menschen werden.

Autorin der Woche (46/2021)

2009 erhielt Elizabeth Strout den Pulitzerpreis für ihren Roman „Olive Kitteridge“ (dt. „Mit Blick aufs Meer“). Die Titelfigur ist pensionierte Mathematiklehrerin, der Ort die fiktive Kleinstadt Crosby in Maine. Dort entspinnt Strout um Olive herum ein fein verwobenes Universum aus Schicksal, Glück und Tragik, aus Sehnsüchten und Unzulänglichkeiten, aus inneren und äußeren Kämpfen, die mal gewonnen, mal verloren werden.

Meisterhaft verbindet Strout die episodenhaften Kapitel, präzise beobachtet sie Motive und Emotionen und rührt dabei immer wieder ans Herz der LeserIn – aber kitschig wird es nie. Die Fortsetzung „Olive, Again“ (dt. „Die langen Abende“) steht auf meiner mentalen Leseliste.

Autorin der Woche (45/2021)

Natürlich kennen wir Leonardo da Vinci vor allem als Maler, aber er hat sich auch intensiv mit den Naturgesetzen, Mathematik, Musik und Anatomie beschäftigt und beispielsweise Flug- und Kriegsgeräte entworfen. In seinen umfangreichen Notizbüchern (Codices), die heute in Museen weltweit aufbewahrt werden, finden sich neben Skizzen und Zeichnungen auch zahlreiche in Worten festgehaltene Beobachtungen, Gedanken und philosophische Thesen.

Gesammelt gibt es einige davon in einem feinen Büchlein der Büchergilde Gutenberg mit dem Titel „Wer wenig denkt, irrt viel“. 2019 habe ich es mir gekauft und in den letzten Tagen wieder einmal darin geblättert. Viele von da Vincis Gedanken sprechen mich an, so zum Beispiel:

Wie lustloses Essen der Gesundheit schadet, so verdirbt das lustlose Lernen das Gedächtnis und hält nichts fest, was dieses aufnehmen könnte.

Lasst uns also lustvoll leben!

Autorin der Woche (44/2021)

Juli Zeh wurde 1974 in Bonn geboren. Sie studierte Jura und Völkerrecht und promovierte. Ihr schriftstellerisches Werk wurde vielfach ausgezeichnet und in 35 Sprachen übersetzt. 2018 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz und wurde zur Richterin im Verfassungsgericht Brandenburg gewählt. Sie engagiert sich politisch und ist Mutter zweier Kinder. Wenn sie im Literarischen Quartett zu Gast ist, bin ich immer gespannt auf ihre Einschätzungen und Urteile.

Zwei Romane habe ich von Juli Zeh bisher gelesen. „Unterleuten“ zeigt schonungslos die Abgründe menschlicher Sehnsüchte und Begierden im ländlichen Dorfidyll. In „Neujahr“ holt ein Familienurlaub auf Lanzarote lang verdrängte Kindheitserinnerungen wieder ans Tageslicht. Beide Romane sind geschickt komponiert, feinsinnig beobachtet, psychologisch schlüssig und dadurch enorm packend.