Monatsarchiv: September 2014

Gemächliche Kühe, zäher Nebel und richtig gutes Essen

Langes Wochenende Mitte September in Thiersee in Tirol. Wettermäßig kein Volltreffer: Dauerregen auf der Hinfahrt, vor Ort durchwachsen mit Niesel und Nebel, Sonne erst am Tag der Rückfahrt.

Das Hotel (Juffing) ist seinen Preis wert. Exzellentes Essen, großzügige Zimmer und ein angenehmer Wellness-Bereich. Schöne Landschaft in unmittelbarer Umgebung, theoretisch auch Ausblick nach Aufstieg, der war uns allerdings nicht beschieden. Stattdessen atmosphärischer Nebelwald, in dem man erst die Glocken der Kühe hört, bevor man die stattlichen Tiere sehen kann.

Blauer Himmel montags auf dem Heimweg, Zwischenstopp am Schliersee. Der ist nicht spektakulär, lässt sich jedoch spazierend in zwei Stunden umrunden. Ein schöner Abschluss für ein entspannendes Wochenende.

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Ode an mein Fahrrad

Noch bevor die Lampen in der Tiefgarage Dich beleuchten,
kann ich Dich sehen, mein guter Freund.

Ein Meisterwerk der Mechanik, das bist Du,
aber ich sehe noch viel mehr.

Dein Gestänge aus stolzem Blau,
Deine Reifen aus starkem Schwarz,
Deine Vorderlampe, strahlend hell in dunkler Nacht,
Deine Rückleuchte, kräftig rot – mit Standlichtfunktion.

Viel mehr als ein Fahrrad bist Du,
viel mehr als ein bloßes Fortbewegungsmittel.

Du bist mein treues Ross,
das mich ins Turnier trägt,
das mir Frohsinn gibt
und Lebenslust.

Wenn die Lampen in der Tiefgarage Dich beleuchten,
sehe ich, dass das Blau an mancher Stelle von Schmutz bedeckt ist.

Wenn ich aufsitze, spüre ich,
dass die Reifen neue Luft brauchen.

Wenn ich losfahre, höre ich
das leise Quietschen der Kette.

Mein guter Freund, ich weiß,
meine Fürsorge könnte größer sein.
Meine Liebe jedoch nicht.

Kakao und Konsum: Das Schokoladenmuseum in Köln

Meinen Besuch bei EMMA habe ich zu einem Kurzurlaub in Köln erweitert und dabei auch das Schokoladenmuseum besucht. Das Museum gehört (laut Wikipedia) zu den zehn beliebtesten Museen Deutschlands – der Andrang in der Eingangshalle zeugt davon.

Gegründet wurde das Museum von Hans Imhoff (1922 – 2007), der zunächst eine eigene Schokoladenfabrik aufbaute und später den Stollwerck-Konzern sanierte. Gelegen ist das Schokoladenmuseum im Rheinauhafen, einem schick gestalteten Areal, in dem alte Hafenbauten gelungen mit neuer Architektur kombiniert wurden.

Highlight im Erdgeschoss des Museums: Eine nachgebaute Produktionsanlage, an deren Ende eine Mitarbeiterin kleine Schoko-Täfelchen in Tüten packt. Im ganzen Raum duftet es betörend nach Schokolade. Quelle ist der drei Meter hohe Schokoladenbrunnen, in den eine Mitarbeiterin Waffeln eintaucht und an die Besucher verteilt. Lecker!

Im Stockwerk darüber sind verschiedenste Gussformen ausgestellt – Motive von drollig bis grotesk. Im selben Raum kann man ganz viel Schokolade von Lindt kaufen, muss man aber nicht.

Der weitaus größte Teil der Ausstellung im ersten Stockwerk widmet sich der Geschichte des Kakaos und der Schokolade. Beginnend bei den Maya und Azteken über die Entdeckung durch die Europäer sowie die allmähliche Verbreitung durch alle Schichten in Europa, zunächst als Medizin, später als Genussmittel. Bis hin zu skurrilen Schokolade-Verkaufsautomaten vom Anfang des 20. Jahrhunderts (einige sehen aus wie Standuhren, bei denen das Ziffernblatt vergessen wurde).

Im zweiten Stock findet man diverseste Ausstellungsstücke aus der Historie verschiedener Schokoladenhersteller: Imhoff, Stollwerck, Milka, Lindt, Suchard, etc. Wichtigste Erkenntnis hier: Der Junge auf der Kinder-Schokolade-Packung war tatsächlich nicht immer derselbe, sah aber immer gruselig aus! Gruselig-lustig sind auch die „historischen“ Werbespots für Schokolade, die in einem kleinen Kino-Raum gezeigt werden.

Tipp für einen krönenden Abschluss: Eine heiße Schokolade im Café des Museums. Mir hat der „Geist der Azteken“ gemundet. Der kam scharf-süß mit Chili und Tabasco, und, ach ja, ein ganz klein wenig Tequila und Rum. Zum Wohl!

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Liebesmüh

Siebzehn, Achtzehn, Neunzehn. Genug. Neunzehn Tropfen Holunderblut standen im Rezept. Guillaume wischte sich die Hand, mit der er die überreifen Holunderbeeren ausgequetscht hatte, an einem fleckigen Tuch ab. Was fehlte noch? Guillaume warf einen Blick auf den unscheinbaren Zettel, auf den die alte Wahrsagerin die Zutaten und Zubereitung des Liebestrankes geschrieben hatte. „Madame Rubina, die Große“ hatte auf ihrem Zelt gestanden, in dem sie zusammen mit einem kleinen Zirkus letzte Woche in den Ort gekommen war.

Es fehlten nur noch drei Haare aus dem Schnurrbart eines glatzköpfigen Junggesellen. Für Guillaume, den ersten Friseur am Platz, war es ein Leichtes gewesen, an diese Zutat zu kommen. Seit über zwanzig Jahren kam Monsieur Pommier in Guillaumes Laden. Verheiratet war Monsieur Pommier nie gewesen und im Lauf der Jahre war sein Haupthaar entschwunden. Sein dunkler Schnauzer jedoch spross kräftiger denn je und so ließ er ihn jeden zweiten Tag von Guillaume stutzen.

Zitterhändig steckte Guillaume die Barthaare in das Fläschchen aus braunem Glas, verschloss es fest mit einem Korken und schüttelte kräftig. Dabei drehte er sich gegen den Uhrzeigersinn um sich selbst und zählte bis Einundfünfzig, aber nur die ungeraden Zahlen. Danach hielt er das Fläschchen fest in beiden Händen und flüsterte den Zauberspruch von Madame Rubina: „Soll die Liebe ewig brennen, musst du nur den Funken kennen. Zur Flamme wird der Funken, sobald das Fläschchen ausgetrunken.“

Guillaume sah Marie vor sich, wie sie das Fläschchen genussvoll leerte und ihn danach voller Begehren ansah. „Meine Schöne, meine Schönste, Schönste im Dorf, Schönste im ganzen Land“, murmelte Guillaume. Mit flattrigen Händen wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Traumversunken wollte er gerade die Öllampe löschen, da öffnete sich langsam die Tür zu der Kammer, in der Guillaume saß und die sich hinten im Friseurladen befand.

„Monsieur Guillaume?“, fragte eine zarte Stimme.

Guillaume erschrak und verbarg das Fläschchen hinter seinem Rücken. Die Tür ging ein Stück weiter auf. Der zarten Stimme folgte ein ebenso zartes Gesicht, aus dem seegrüne Augen leuchteten.

„Monsieur Guillaume, der Laden ist sauber. Ich habe gekehrt und geputzt. Auch Ihre Scheren und Kämme.“

„Marie, Sie sind ein Schatz.“

Marie lächelte schüchtern. Guillaume sah sie vor sich, mit offenem krauslockigen Haar, wie sie barfuß durch eine Sommerwiese lief. Wie sehr er sich wünschte, ihren Nacken zu kraulen!

„Marie, Sie sind bestimmt durstig nach der vielen Arbeit! Möchten Sie ein Glas Wein? Ich nehme auch eines.“

Marie errötete. „Oh, Monsieur Guillaume, das würde sich nicht schicken. Sie und ich… Nein, das geht nicht.“

Guillaume spürte einen kleinen Stich. Marie zögerte, setzte an, noch etwas zu sagen.

Guillaume ermunterte sie: „Ja, Marie?“

„Monsieur Guillaume, ich wollte es Ihnen schon längst gesagt haben, aber mir fehlte der Mut.“

Hoffnung keimte in Guillaume: „Ja?“

„Ich… Ich werde hier nicht mehr arbeiten können. Morgen ist mein letzter Tag. Mein Verlobter… Wir werden bald heiraten, sehr bald schon… Er sagt, es gehört sich nicht für seine Braut, bei einem Friseur zu arbeiten… Es tut mir aufrichtig leid! Sie müssen sich jemand anderen suchen.“

Bevor Guillaume antworten konnte, war Marie schon davon gelaufen. Er blieb zurück, mit dem Zaubertrank in Händen und einem brennenden Stachel im Herzen. Guillaume hielt seine Tränen nicht zurück.