Über die Ostertage habe ich „Berliner Briefe“ (erschienen 1948) von Susanne Kerckhoff gelesen. Aus dem Nachkriegsberlin schreibt Helene, eine junge Sozialistin, 13 Briefe an ihren emigrierten jüdischen Jugendfreund Hans. Ein illusionsloses und dennoch kämpferisch-hoffnungsvolles Gesellschaftsbild zeichnet die Verfasserin. Sie findet keine ehrliche Reue, kein Eingeständnis von Schuld bei der Mehrheit der Deutschen, stattdessen trotziges Ressentiment gegen die Alliierten. Die Demokratie in Deutschland steht für sie auf wackligen Beinen… Auch mit ihrem eigenen Verhalten während der Naziherrschaft geht sie kritisch ins Gericht. Ihrer Überzeugung nach war sie gegen die Nazis, nach außen hin hielt sie jedoch still und nimmt so eine Mitverantwortung für die Zerstörung und die Verbrechen für sich an. „Berliner Briefe“ ist spannend zu lesen – als zeitgeschichtliches Dokument und als Denkanregung für unsere heutige Gesellschaft.
Zur Autorin: Susanne Kerckhoff wird 1918 in Berlin geboren und wächst bürgerlich-liberal auf. Als Schülerin schließt sie sich der Sozialistischen Arbeiterjugend an und legt 1937 ihr Abitur ab. 1946 zieht Kerckhoff nach Ost-Berlin, wird 1948 Mitglied der SED und Feuilleton-Chefin der Berliner Zeitung. Bald fällt sie bei bedeutenden Funktionären und Redakteuren in Ungnade und verliert ihre Stellung. Im März 1950 begeht Susanne Kerckhoff Selbstmord.