Liebes Tagebuch,
bestimmt denkst du jetzt gleich: Ach ja? Wieder einmal? Hab ich schon so oft gehört… Aber diesmal, diesmal ist es anders, wirklich! Diesmal könnte es sein. Diesmal könnte er es sein. Der Richtige. Der richtige Mann.
Schon als er heute Morgen durch die Tür kam, wusste ich: Er ist anders als die anderen. Er war der dritte Gast, nur die Schulzes waren da und tranken wie immer ihren Cappuccino am Tisch beim großen Fenster. Da war so ein Strahlen um ihn herum, wie ein sanftes Sonnenlicht. Mit einem kurzen Nicken hat er mich gegrüßt. Ich hinterm Tresen, habe Limo und Cola im Kühlschrank nachgefüllt. Seine Augen haben gefunkelt wie Smaragde. Da hat mein Herz einen Moment gar nicht mehr geschlagen und dann umso schneller. Er hat sich an den Zweiertisch neben dem Gummibaum gesetzt, du weißt, mein Lieblingsplatz als Gast, weil man von dort einen so guten Überblick über das ganze Café hat. Er hat kurz in die Karte geschaut, hat sie wieder hingelegt, ich bin hin, die Knie etwas wackelig und hab richtig tief durchgeatmet, als ich vor ihm stand, damit ich nicht stottere oder so. Hoffentlich hat er das nicht bemerkt! Hab einen wunderschönen Morgen gewünscht. Was darf’s sein? Eine heiße Schokolade mit extra Sahne wollte er. Extra Sahne!
Als ich die Tasse dann vorsichtig serviert habe, hab ich gesagt: Enjoy! Wie ich’s im Englischkurs gelernt habe. Ganz verwegen bin ich mir vorgekommen! Er hat mit einem kleinen Lächeln geantwortet, dann hat er sich wieder in die Tageszeitung vertieft. Zum Glück war nicht viel los heute Morgen, da hatte ich Gelegenheit, ihn genauer anzuschauen. Ein Hüne ist er nicht, aber durchaus sportlich. Drahtig könnte man sagen, aber nicht nur Haut und Knochen, so wie Jens. Uh, Jens mit seinen stacheligen Bartstoppeln. Nein: Er war glattrasiert und die Haut bestimmt ganz weich… Seine blonden Haare nicht zu lang, nicht zu kurz. Ach, in denen hätte ich am liebsten wild gewuschelt! Glänzend und dicht, aber nicht so eine krause Mähne wie Klaus, da war immer der Abfluss in der Dusche verstopft. Klaus, der mich flatterhaft genannt hat, weil ich mich im Restaurant im letzten Moment umentschieden habe und der sich immer beschwert hat, wenn fleischlose Gerichte in der Speisekarte „Schnitzel“ oder „Frikadelle“ genannt wurden. Und der nicht wollte, dass ich zum Schleiertanzkurs gehe. Das ist nichts für ein anständiges Mädchen. Schlimmer als der alte Pfarrer Mümpfel früher bei der Predigt von der Kanzel… Nein, so ist er ganz bestimmt nicht!
Insgeheim hatte ich gehofft, dass er ein zweites Getränk oder sogar ein Frühstück bestellt. War leider nicht so. Aber jetzt kommt’s: Beim Bezahlen schaut er mich an mit seinen Smaragdaugen und bedankt sich für die köstliche Schokolade. Dann sagt er, er ist neu in der Stadt und er arbeitet im Bürogebäude gegenüber. Könnte sein, dass ich öfters mal komme, sagt er weiter, ich sage gar nichts, lächle nur immerzu. Hoffentlich sah das nicht dämlich aus! Und dann sagt er: Schönen Tag und bis morgen. Bis morgen!!! Bis morgen, verstehst du, liebes Tagebuch! Bis morgen. Ach, wär doch schon morgen. Ja, ja, ich weiß, jetzt nicht gleich den Kopf verlieren. Schon klar. Aber meinst du nicht auch, liebes Tagebuch: Diesmal könnte es wirklich sein!
bei „Liebes Tagebuch“ hattest Du mich ja sofort, obwohl ich in Erwartung von einer Verbindung zur Renaissance war
und dieses mal ist es bestimmt! der Richtige
😉
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Danke, Hanna. Vielleicht ist es ja die Hoffnung, die immer wieder neu geboren wird. 😉
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auf jeden Fall sagte der Schmetterling, ganz liebe Grüße
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