Monatsarchiv: Juli 2021

Autorin der Woche (29/2021)

Michael Köhlmeier habe ich zuerst durch seine knapp 15-minütigen Erzählungen von Sagen des klassischen Altertums auf BR-alpha (heute: ARD-alpha) kennengelernt. Mit einer wunderbar musikalischen Stimme und faszinierender Erzählkraft erweckt er Götter, Könige und Ungeheurer zu neuem Leben. Ebenso fesselnd erzählt Köhlmeier Märchen aus aller Welt auf ARD-alpha.

Erst später habe ich gelernt, dass Köhlmeier auch Bücher schreibt, und zwar sehr gute; gelesen habe ich bisher „Die Abenteuer des Joel Spazierer“ und „Madalyn“. Beim Poetenfest 2017 kam er Sonntagabend zum Autorenporträt ins Markgrafentheater – ein krönender Abschluss damals.

Seit 1981 ist Köhlmeier mit Monika Helfer verheiratet, sie leben in Vorarlberg und Wien.

Autorin der Woche (28/2021)

Die Chancen stehen gut, dass es ein Erlanger Poetenfest 2021 geben wird und der Zeitpunkt steht fest: 26.-31. August. In welcher Form es stattfinden wird, ist noch nicht bekannt. An für alle frei zugängliche Lesenachmittage im Schlossgarten kann ich nicht glauben; vielleicht wird es ähnliche Formate geben wie im letzten Jahr: Lesungen für bis zu 100 Zuschauer, mit Tickets und festen Sitzplätzen.

Zur Einstimmung stelle ich in den nächsten Wochen Autorinnen und Autoren vor, die ich beim Erlanger Poetenfest erleben durfte – und vielleicht ist die eine oder der andere in diesem Jahr wieder mit von der Partie. Den Anfang macht Monika Helfer, die 2020 ihren Familienroman „Die Bagage“ vorgestellt hat. Hier ein Auszug meines Blogeintrags dazu:

Monika Helfer erzählt in „Die Bagage“ die Geschichte ihrer Großeltern, die als Außenseiter in einem Dorf in Vorarlberg leben. Als 1914 der Großvater Josef zum Kriegsdienst eingezogen wird, bleibt die schöne Großmutter Maria mit den Kindern zurück und ist der Lust der Männer und dem Argwohn der Frauen ausgesetzt. Und dann wird Maria schwanger, mit der Mutter der Autorin… Der Roman ist (auto)biographisch inspiriert, enthält jedoch auch fiktive Elemente und Figuren. Monika Helfers lakonischer Stil gibt den Lesenden Raum und zieht sie gleichzeitig in seinen Bann.

Monika Helfer schreibt sich weiter durch ihre Familiengeschichte; Anfang des Jahres erschienen: „Vati“.

Autorin der Woche (27/2021)

46 Jahre vor Vicki Baums „Vor Rehen wird gewarnt“, also 1905, erscheint „The House of Mirth“ von Edith Wharton. Auch in diesem Roman wird die Lebensgeschichte einer jungen Frau zu Beginn des 20. Jahrhunderts erzählt. Lily Bart ist ähnlich wie Ann Ambros Tochter einer gutbürgerlichen Familie, allerdings nicht in San Francisco, sondern in New York. Und wie für Ann ist der erwünschte Lebensweg für Lily vorgezeichnet: eine standesgemäße Hochzeit, dann vorbildliche Ehefrau, Mutter und Gastgeberin vergnüglicher Gesellschaften.

Doch hier enden die Parallelen. Während Ann rücksichtslos den einen Mann, den sie will, für sich zu gewinnen sucht, kämpft Lily mit widerstrebenden Gefühlen. Ihr Herz gehört einem sozial nicht angemessen gestellten Anwalt. Für einen der reichen Verehrer kann sie sich nicht entscheiden. Und dann gerät sie durch eine Intrige nicht nur ins gesellschaftliche Abseits, sondern in bedrohliche materielle Not. Edith Whartons Roman ist eine berührende Liebes- und Lebensgeschichte und aufschlussreiches Gesellschaftsporträt zugleich.

Autorin der Woche (26/2021)

Vicki Baum führte ein bewegtes Leben: 1888 in Wien in eine gutbürgerliche, aber eher dysfunktionale Familie geboren, auf Drängen der Mutter zur Harfenistin ausgebildet und als Berufsmusikerin erfolgreich. 1909-1913 die erste Ehe, durch den Mann kommt sie zum Schreiben. 1916 die zweite Hochzeit, zwei Söhne kommen zur Welt. Die Familie lebt in verschiedenen Städten in Deutschland, Baum wird Redakteurin und anerkannte Autorin beim Berliner Ullstein-Verlag. 1929 erscheint „Menschen im Hotel“ und macht sie auch international bekannt. Der Roman wird in Berlin und am Broadway auf die Bühne gebracht und 1932 mit Greta Garbo verfilmt. Für eine Werbekampagne geht Baum 1931 in die USA und bleibt dort bald dauerhaft; sie hat die Zeichen der Zeit wohl früh erkannt. Baum ist schriftstellerisch produktiv und reist viel, nach dem Krieg auch wieder nach Europa. Ihre Bücher sind kommerziell erfolgreich, werden von der Kritik aber oft als Trivialliteratur abgetan – zu Unrecht. In späteren Jahren ist Baums Gesundheit angegriffen, sie erkrankt an Leukämie und stirbt 1960 in Los Angeles.

Anfang März 2020 wird Baums Roman „Vor Rehen wird gewarnt“ (1951) im Literarischen Quartett besprochen (ab 37:17). Das hat mich neugierig gemacht auf die Antiheldin Ann Ambros, die durch ihre unablässig an den Tag gelegte Hilflosigkeit alle und jeden in ihrer Umgebung manipuliert und so immer ihren Willen bekommt. Meine Sympathie gewann beim Lesen zunehmend Anns Stieftochter Joy, die spät beginnt, gegen die Mutter aufzubegehren und dadurch eine Zugfahrt möglicherweise zum schicksalhaften Wendepunkt werden lässt.